Transparenz ist eine gute Sache. Ob es um Doktorarbeiten geht oder Gesetzesvorhaben: Man sollte schon wissen, wer bei wem kopiert hat. Dem stimmen auch die Abgeordneten im EU-Parlament zu. Es sei denn, man will es ganz genau wissen.
Dem Netz-Aktivisten Max Schrems war aufgefallen, dass bei Änderungsanträgen von EU-Abgeordneten zur EU-Datenschutzverordnung ganze Passagen wortwörtlich mit Lobbypapieren übereinstimmen. Zusammen mit den Journalisten Marco Maas und Richard Gutjahr startete er deshalb die Seite lobbyplag.eu: Eine Plattform, die nach dem Vorbild von Plagiatsjäger-Seiten wie Guttenplag versteckte Lobby-Quellen in Gesetzesanträgen offenlegen will. Der ein- oder andere ertappte Abgeordnete habe gar nicht gewusst, dass sich kopierte Formulierungen in seinen Anträgen befinden, erzählte Richard Gutjahr im tagesschau.de-Interview: „Da kann es doch nur in seinem Interesse sein, das herauszufinden.“
Das fanden wir auch – und wollten es genauer wissen. Im Sinne der Transparenz und der Ausgewogenheit wollten wir die EU-Parlamentarier nun selber fragen. Wie kommt es zu den Parallelstellen in den eigenen Anträgen?Nach drei Stunden Suche war ich keinen Schritt weiter. Offenbar wegen des Aschermittwochs war kaum ein Abgeordnetenbüro besetzt. Weder in Brüssel oder Straßburg noch in den Wahlkreisen. Wo ich jemanden erreichte, handelte ich mir Absagen ein: Wegen Krankheit oder Termindrucks. Schließlich erreichte ich den FDP-Abgeordneten Jürgen Creutzmann. Er wird auf lobbyplag.eu als einer derjenigen genannt, die Lobbytexte in ihren Anträgen übernehmen. Wie die Zitate da rein gekommen sind, konnte oder wollte er mir nicht sagen. Sein Büro habe die Anträge nicht selbst erarbeitet. Das Büro der rumänischen Kollegin Valean habe sie verfasst. Creutzmann habe sie – nach ausführlicher inhaltlicher Prüfung – nur mit unterschrieben.
Am späten Nachmittag endlich war ein Parlamentarier bereit, mir nach längerem Hin- und Her ein Interview zu geben. Meine Anfrage überraschte ihn nicht, mit den Lobbyismus-Vorwürfen war er bereits konfrontiert worden und wies sie weit von sich.
Viermal habe ich nachgefragt, wie es denn nun zu der wortwörtlichen Übereinstimmung kam. Die Antwortversuche waren ausweichend und teils widersprüchlich: Er wisse es nicht, er habe jedenfalls nicht kopiert. Bei Gesprächen mit Lobbyisten mache man sich durchaus Notizen und nehme gute Vorschläge auf. Und im Übrigen schreibe man ja keine Promotion, sondern politische Texte. Detailreich erklärte er mehrfach, warum er inhaltlich voll und ganz hinter diesem oder jenem Antrag stehe. Das war aber nicht die Frage.
Es komme doch nicht darauf an, von wem er eine Idee habe, sondern darauf, dass sie richtig sei. An welcher Stelle es aber zum Copy and Paste der Lobby-Passagen gekommen war, konnte er nicht erklären. Außer in einem Fall: Hier gab es die betreffende Stelle tatsächlich noch in einem offiziellen Dokument der EU-Kommission, woraus sowohl er als auch das Lobbypapier die Formulierungen übernommen hatten.
Es gehört zum guten Standard, dass ein Gesprächspartner sein Interview vor Veröffentlichung gegenlesen kann. Von diesem Abgeordneten bekam ich jedoch einen Text zurück, der an vielen Stellen komplett umgeschrieben war. Heute Morgen dann der Anruf des Pressereferenten: Der Abgeordnete habe nochmal darüber geschlafen und wolle das Interview nun ganz zurückziehen. Über Datenschutz könnten wir gerne ausführlich sprechen, über Lobbyismus dann aber lieber doch nicht. Hoch lebe die Transparenz!
Quelle: tagesschau.de Blog
Grüße an die Lobbyisten und Steuergeldveruntreuer.