Neues vom Pussy-Imperialismus (Elsässer)

Make Love and War: Kalte Krieger vergießen heiße Tränen über schlechte Musik

Habe ja eigentlich vor ein paar Tagen schon alles zum Thema geschrieben (siehe mein Kommentar Fuck off, Pussy Riot). Nachdem nun aber der Zauber post festum erst richtig losgeht, juckt es mich nochmal ein bisschen. Menschenrechts-Imperialismus gab es ja schon immer. Aber das jetzt der Pussy-Imperialismus dazukommt – alte Kalte Krieger schicken blutjunge Gören in Kirchen und geilen sich hinterher am Urteil auf -, ist dann doch etwas Neues. Vermute, das kommt jetzt öfter. Allgemeiner gesagt: Die Mischung zwischen Antikriegs- und Anti-US-Protesten mit (vermeintlich) sexueller Revolution, die 1968ff. kennzeichnete, hat sich aufgelöst. Jetzt treten die Kriegstreiber als (vermeintliche) sexuelle Befreier der Pussies auf. Parole: Make Love AND War. Jeder Staat, der der Pornographisierung des Alltags und seiner Heiligen Städten einen Riegel vorschiebt, wird als autoritär, weil lustfreindlich gebrandmarkt. In einigen Kommentaren sieht man Russland schon auf dem Weg, ein “Gottesstaat” wie Iran zu werden… Subtext: Müssen wir diese mittelalterlichen Typen nicht endlich zum Orgasmus bomben? Für die Pussy-Imperialisten wird Iran erst frei sein, wenn die Loveparade durch Teheran stampft. Russland wird erst frei sein, wenn Volker Beck am Roten Platz einen Dark Room besuchen kann.

Apropos Freiheit für junge russische Künstler: Ich bin dafür! Muss ja nicht grade in einer Kirche sein. Aber auf der Bühne – immer! Und da erinnert man sich doch prompt an den jungen russischen Tenor, der vor kurzem aus Bayreuth rausgeschmissen wurde, weil man zwei Tage vor der Premiere entdeckte, dass er für eine Wagner-Aufführung in Schland nicht geeignet ist. Begründung: Er hatte, als Schlagzeuger in einer Metall-Band, vor 20 Jahren Hakenkreuz-ähnliche Tattoos gehabt. Die Dinger hätte man auf der Bühne nicht sehen können, und zudem hatte sich der Russe, klüger geworden, sich schon vor einigen Jahren die Tattoos wieder wegbrennen lassen. Nützte ihm aber nichts, er flog trotzdem raus, und die Medien äußerten Verständnis dafür. Und die selben deutschen Journalisten wollen heute die “Freiheit der Kunst” in Russland verteidigen… Fuck off, Press-titutes!

Original-Artikel bei Jürgen Elsässer.